Wenn die Technik keine Rolle spielt: Mit dem auditory-motor-loop zum müheloseren Üben

Außerdem: Deine Chance auf eine ganz besonders befreiende musikalische Erfahrung

Hast Du schon einmal versucht, Dich beim Spielen einfach vom Klang leiten zu lassen?

Nicht, um auf Fehler zu achten und sie zu korrigieren, sondern indem Du Dich ganz auf den Klang selbst einlässt – auf das, was Du hören kannst.

Möchtest Du mehr darüber wissen, wie das Zuhören zu Deiner Geheimwaffe beim Üben wird, um schneller Fortschritte zu sehen, empfehle ich Dir diesen Artikel: Zuhören: Die Geheimwaffe beim Üben, um schneller Fortschritte zu sehen.

Also, stell Dir vor, die Technik würde keine Rolle mehr spielen, sondern allein Deine innere Vorstellung von Musik.

Kein Grübeln über Fingerpositionen oder Atemtechniken, sondern einfach das Gefühl, im Moment zu sein und dem Klang Raum zu geben.

„Es fühlt sich an, als fließe der Klang einfach aus mir heraus, ganz ohne „Arbeit““, sagte einer meiner Schüler vor kurzem.

Und eine andere: „Ich kann da anders mitgehen und einfach dabei sein.“

Das Faszinierende?

Diese Gedanken kamen von Schüler:innen, die anfangs ziemlich skeptisch waren. „Wie soll das gehen – einfach zuhören und der Rest passiert von selbst?“, fragten sie.

Vielleicht hast Du ja auch Deine Zweifel, aber stell Dir vor, Du könntest beim Spielen genau diese Art von müheloser Erfahrung machen.

Wie würde es sich anfühlen, Dich nicht mit Technik oder Fehlern zu beschäftigen, sondern einfach dem Klang zu folgen und dabei in einen Zustand völliger Leichtigkeit zu kommen?

In diesem Artikel gehe ich anhand eines Beispiels genau darauf ein. Ich erkläre, warum es möglich ist, sich durch das Hören leiten zu lassen – Stichwort auditory-motor-loop.

Du erfährst, was es zu beachten gibt, um dies einmal selbst auszuprobieren und warum es für viele Musiker:innen eine besonders befreiende Erfahrung sein kann.

Übrigens mehr dazu, wie Du Deine Sinne beim einsetzen kannst, um effektiv zu üben und das musizieren mehr zu genießen, erfährst Du in dem Modul Sinne-Dreieck meines Kurses Schnelle Läufe und Technikpassagen meistern.

Das Sinne Dreieck

Eine Situation im Unterricht

Im Unterricht mit Frank machten wir gemeinsam Intonationsübungen, weil er seine Intonation für anstehende Ensembleproben verbessern wollte.

Wir sprachen viel darüber, wie er die Intonation auf der Klarinette anpassen kann, also um die technische Ausführung –keine Angst, wenn Du nicht Klarinette spielst, denn es wird gleich nicht um die Klarinette, sondern eine ganz andere Sache gehen, mit der Du eine ganz besonders befreiende musikalische Erfahrung beim Üben machen kannst.

Nachdem Frank eine Weile experimentiert und viel ausprobiert hatte, bat ich ihn in den nächsten Übungen nicht mehr über die Technik nachzudenken, sondern sich einfach ganz auf das Hören zu konzentrieren. Er sollte sich vom Klang leiten lassen.

Zuerst war er skeptisch. „Soll das wirklich funktionieren? Einfach zuhören und der Körper regelt den Rest?”, fragte er. Doch als wir die Übungen auf diese Weise wiederholten, leuchteten seine Augen. „Viel besser und irgendwie ganz leicht!”, sagte er strahlend.

Was war passiert? Der auditory-motor loop

In der Neurobiologie nennt man dieses Phänomen den auditory-motor loop. Es handelt sich um eine neuronale Verbindung zwischen den Hörarealen und den Bewegungszentren. Kurz gesagt: Unser Gehirn kann über das Hören unsere Bewegungen steuern. Es klingt vielleicht unglaublich, aber es funktioniert. Der Körper „weiß“ durch das Hören, wie er sich bewegen muss, ohne dass wir ständig bewusst eingreifen müssen.

Diese Verbindung bildet sich übrigens bereits nach 20 Minuten. In einer Studie an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover Hannover[1] wurde Klavieranfänger:innen eine einfache Melodie beigebracht. Bereits nach 20 Minuten konnte man Veränderungen im Gehirn feststellen. Nach fünf Wochen war diese Verbindung gut etabliert.

 [1] Bangert M, Altenmüller EO. Mapping perception to action in piano practice: a longitudinal DC-EEG study. BMC Neurosci. 2003;4:26. Published 2003 Oct 15. doi:10.1186/1471-2202-4-26

auditory motor loop instrument ueben mp

Lass die Sinne für Dich handeln!

Im Unterricht erlebe ich immer wieder, dass mich Schüler:innen skeptisch anschauen, wenn ich ihnen diese Aufgabe gebe. Sie glauben, dass sie jeden Ton und jede Bewegung bewusst kontrollieren müssen. Kontrolle abgeben kann da richtig schwerfallen.
Doch wenn es klappt, sind die Reaktionen immer ähnlich: ein erstauntes Lächeln, das die Erleichterung widerspiegelt. „Es ist viel leichter, als ich dachte! Und irgendwie auch schöner“, höre ich dann. „Es fühlt sich an, als fließe der Klang aus mir heraus, ganz ohne „Arbeit“.“ Eine richtig befreiende Erfahrung für die meisten.

Lies gerne hier nach, wenn Du wissen möchtest, warum es eigentlich so schwer ist das Musizieren zu genießen und wie es Dir leichter gelingen kann: Musizieren genießen –Warum das schwierig sein kann.

Lust bekommen, es selbst auszuprobieren?

Dann schnapp Dir Dein Instrument und eine Melodie, die Du schon gut kennst. Stell Dir vor, dass Du das Stück nicht mit Deinen Händen oder Deinen Lippen spielst, sondern nur mit Deinem Hören.

Lass Dich einfach von dem inneren Klang führen, als würdest Du die Melodie im Kopf hören und die Bewegung folgt ihr. Du wirst merken, dass Deine Finger oder Deine Lippen auch automatisch die richtigen Töne finden, fast wie von selbst.

Und wenn es mal nicht ganz stimmt? Nicht gleich aufgeben! Das Ganze ist schließlich eine Schleife. Hören, anpassen, selbst spielen, hören, usw.

Wenn Du magst, beobachte dabei auch, wie es sich anfühlt, die Kontrolle loszulassen. Ist es unangenehm, die Zügel ein Stück weit abzugeben? Oder fühlt es sich sogar richtig befreiend an? Es kann ein erstaunlicher Moment sein, in dem Du merkst, wie Du immer mehr in den Fluss des Spiels kommst, ganz ohne den Zwang, alles zu kontrollieren.

Ich bin gespannt, was Du erlebst!

Frohes Üben!

Melina

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Wer schreibt hier?

Hallo, ich bin Melina!

Ich habe Klarinette studiert und bin heute als freischaffende Musikerin in Berlin tätig.

Wie kann modernes Üben, üben im 21. Jahrhundert aussehen, in dem so viele Dinge unsere Aufmerksamkeit verlangen?

Wie können wir effektiv üben, also mit kurzen Übesessions besser werden? Wie kann uns das Musizieren als Ort der eigenen Entfaltung, der Entspannung und des Glückes dienen, als richtige Quality time? Und wie bringen wir beides, Fortschritt und Genießen, in den Einklang?

Diesen Fragen gehen wir hier auf den Grund. Dafür erwarten Dich praktisch anwendbare Ideen und Anregungen für Dein eigenes Üben und Musizieren.

Melina Paetzold Musikerin Klarinette
© Karoline Wolf